Das Gänseblümchen


Er nahm die Ausfahrt. Die alte Landstrasse zu nehmen war ein bewährtes Rezept von ihm der Müdigkeit zu entkommen, wenn er merkte, dass seine Gedanken immer mehr abschweiften, als würde er hinten sitzen, einem warmen Dösen nahe. Anfangs griff die Selbstlist. Er liebte es Kurven zu fahren. Es war ihm als würde sein Wille sich mit dem Getriebe koppeln. Das Kurven fahren konnte ihn aufwecken, aus tiefen Schichten. Reinste Kraft trieb sein BMW. Er spürte es am deutlichsten in Kurven. Natürlich war er Autonarr. Wieso sollte er das bestreiten, es war auch keine Schande.
Doch dann kam dieser Holzschlepper und dichtester Nebel noch dazu. überholen wäre Irrsinn gewesen, in seinem Zustand noch viel mehr. Er drehte den Schubert lauter und merkte immer mehr, wie der Schlaf in seine Schädeldecke drängte.
Links war eine Abzweigung ohne Strassenschild. Er überlegte nicht und fuhr die windigen Kurven den Berg hoch. Da wurde ihm klar er wollte übernachten. Nach Hause würde er es auf keinen Fall mehr schaffen.
Es war etwas wie ein Landgasthof, doch die Wirte waren Mönche. Das Essen war gut, keiner sprach ein Wort. Im Zimmer lag die Bibel und sonst gar nichts. Es interessierte ihn wenig. Selten zog der Schlaf so fordernd. Am nächsten Morgen beim Aufwachen wusste er, dass er krank war, keine Grippe oder etwas in der Art, eine Krankheit ohne Namen. Er sagte alle seine Termine ab und blieb. Die Mönche waren freundlich und sprachen nur das Nötigste.
Ab und zu ging er im nahen Wald spazieren, meistens aber lag er in diesem erstaunlich bequemen Bett auf seinem Zimmer. Die Tage vergingen. Er fragte nicht einmal nach, wo er denn war. Es war ihm, als sei sein letzter Wille ausgeflossen. Nie mehr würde er etwas wollen können. Auch die Bibel hatte er nicht einmal berührt.
Nach ungefähr zwei Wochen stand auf seinem Frühstückstisch ein Schnapsgläschen mit einer handvoll Gänseblümchen drinnen. Einer der Mönche hatte sich zu ihm an den Tisch gesetzt und trank mit ihm einen Kaffee. Nie liess er seinen Blick von ihm ab. Eine seltsame Wärme strahlte dieser Mann aus.
Das kleine Turmglöcklein schlug acht Uhr. Der Mönch stand auf und kam um den Tisch herum, um ihm eine Hand auf die Schultern zu legen. Mit klaren und deutlichen Worten forderte er ihn auf nach Hause zu fahren, die Zeit sei um.
Auf der Fahrt nach Hause kam langsam wieder Kraft in ihn. Er konnte nicht erklären was geschehen war. Er nahm alle seine Geschäfte wieder auf. Er war und blieb sehr erfolgreich.
Das einzige was sich in seinem Leben änderte, war ein Gefühl im tiefen Innern, das er nun kannte. Ein Gefühl, als würde er mit sich selber gehen, durch sein Leben.
Niemand, der ihn kannte bemerkte seinen Wandel, ausser er selber.